Rechtsanfragen betreffend Kapitalertragsteuerabzug auf Kryptowährungen
Anfragebeantwortung vom 26.05.2025
1. Rechtsanfrage betreffend Kapitalertragsteuerabzug auf Kryptowährungen
In der Praxis ergeben sich Konstellationen, bei denen Einheiten einer Kryptowährung veräußert werden, wobei sich auf derselben Kryptowährungswallet sowohl Altbestand als auch Neubestand bzw. Kryptowährungen iSv § 93 Abs. 4a EStG 1988, deren Anschaffungskosten dem Abzugsverpflichteten nicht bekannt sind, befinden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Verwendungsreihenfolge durch den Abzugsverpflichteten für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs:
- § 3 Z 2 KryptowährungsVO regelt hierzu, dass in Fällen, in denen sich auf einer Kryptowährungsadresse bzw. Kryptowährungswallet Einheiten derselben Kryptowährung befinden, wobei nicht alle nach dem 28. Februar 2021 angeschafft worden sind (Altbestand), im Zweifel die früher erworbene Einheit der Kryptowährung (d.h. Altbestand) als zuerst veräußert bzw. Übertragen gilt.
- Gemäß § 2 Abs. 3 KryptowährungsVO gelten Kryptowährungen, die iRd Kapitalertragsteuerabzugs dem pauschalen Wertansatz gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 unterliegen, als zuerst veräußert. Es ist von Neuvermögen auszugehen (EStR 2000 Rz 7735d).
Daher ergibt sich nach Einschätzung der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen folgende Verwendungsreihenfolge im Veräußerungsfall:
- Kryptowährung, die vor dem 1. März 2021 angeschafft worden sind (Altbestand)
- Kryptowährungen, die der pauschalen Wertermittlung gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG1988 unterliegen
- Kryptowährungen, die nach dem 28. Februar 2021 angeschafft worden sind (Neubestand)
Wir bitten um Mitteilung, ob das BMF die oben dargelegte Rechtsansicht zur Verwendungsreihenfolge teilt?
Gemäß § 3 Z 1 KryptowährungsVO besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, ob primär Kryptowährungen des Alt- oder Neuvermögens veräußert werden sollen. Dabei besteht allerdings die Möglichkeit dieses Wahlrecht dem Abzugsverpflichteten (z.B. in den allgemeinen Geschäftsbedingungen) zu übertragen. Sollte daher dem Abzugsverpflichteten ein solches Wahlrecht eingeräumt worden sein, kann – durch den Abzugsverpflichten – auch pauschal festgelegt werden, dass Kryptowährungen, die vor dem 1. März 2021 angeschafft worden sind, stets als zuallererst veräußert gelten (vor der Veräußerung von Kryptowährungen mit pauschalen Anschaffungskosten gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988). Steht das Wahlrecht jedoch unverändert dem Steuerpflichtigen zu und wird dieses aber nicht ausgeübt, geht nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen § 2 Abs. 3 KryptowährungsVO der Bestimmung des § 3 Z 2 KryptowährungsVO vor, weshalb Kryptowährungen als zuerst veräußert gelten, deren Anschaffungskosten nach § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 angesetzt wurden.
2. Zeitpunkt der Bekanntgabe der Steuerdaten an den Abzugsverpflichteten
§ 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 iVm § 1 KryptowährungsVO sieht für Steuerpflichtige die Möglichkeit zur Bekanntgabe der notwendigen Steuerdaten an den Abzugsverpflichteten vor. Die Bekanntgabe und Plausibilisierung der Steuerdaten kann umgehend bei Übertragung der Kryptowährungen an den Abzugsverpflichteten erfolgen. Spätestens hat diese jedoch unmittelbar vor der Realisierung zu erfolgen (EStR 2000 Rz 7735b).
In der Praxis ergeben sich Fälle, in denen der Steuerpflichtige dem Abzugsverpflichteten
- die Steuerdaten bekannt gibt, diese aber z.B. aufgrund eines technischen Defekts dem Abzugsverpflichteten nicht bis zur Realisierung zugehen; oder
- versehentlich die Steuerdaten erst nach der Realisierung bekannt gibt.
Sofern der Steuerpflichtige unmittelbar nach Übertragung der Kryptowährungen an den Abzugsverpflichteten in einem solchen Fall die Kryptowährungen veräußert, kommt automationsgestützt die pauschale Wertermittlung gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 zur Anwendung, weil dem Abzugsverpflichteten die Steuerdaten in der internen Datenbank im Realisationszeitpunkt nicht vorliegen. Hieraus können sich für den Steuerpflichtigen empfindliche Liquiditätsnachteile ergeben, weil die Korrektur erst im Zuge der Einkommensteuerveranlagung möglich ist.
Aus unserer Sicht muss es daher möglich sein, dass der Abzugsverpflichtete bei späterer erfolgreicher Übermittlung und Plausibilisierung der Steuerdaten den Kapitalertragsteuerabzug dahingehend korrigieren kann, dass der ursprüngliche pauschale Wertansatz nachträglich durch die tatsächlichen Steuerdaten ersetzt wird und eine Korrekturbuchung vorgenommen wird.
Wir bitten um Mitteilung, ob das BMF die oben dargelegte Rechtsansicht teilt.
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ist eine solche Korrektur im Rahmen des § 240 Abs. 1 BAO zulässig. Daher kann der Kapitalertragsteuerabzug bis zum Ablauf des Kalenderjahres berichtigt werden.
3. Kapitalmaßnahmen iZm Kryptowährungen
Auch im Bereich der Kryptowährungen gibt es Vorgänge, die mit klassischen Kapitalmaßnahmen im Wertpapierbereich vergleichbar sind. Ein Beispiel ist ein Token-Merge, bei dem zwei oder mehr Token zu einem einzigen Token zusammengeführt werden. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, z.B. zur Effizienzsteigerung, um den Nutzen oder den Wert der Tokens zu erhöhen oder die Governance des Tokens zu verbessern. Typisch für diese Vorgänge ist, dass der Steuerpflichtige kein Wahlrecht dahingehend hat, ob der Token-Merge durchgeführt wird und keine baren Zuzahlungen geleistet werden. Ein Token-Merge hat Charakteristika eines Tausches, weil aus Sicht des Steuerpflichtigen eine oder mehrere Kryptowährungen durch eine andere Kryptowährung ersetzt werden.
Die ertragsteuerliche Behandlung dieser Kapitalmaßnahmen iZm Kryptowährungen ist aktuell nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. In jedem Fall handelt es sich nicht um Vorgänge, die in den Anwendungsbereich des UmgrStG fallen. Aus unserer Sicht ist von einem Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung auszugehen:
Nach dem 28. Februar 2021 angeschaffte Kryptowährungen (Neuvermögen)
Gemäß § 27b Abs. 3 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 stellt der Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung keine Realisierung dar. In diesem Fall sind die Anschaffungskosten der eingetauschten Kryptowährung auf die erhaltene Kryptowährung zu übertragen; die gesamte Wertsteigerung wird dadurch erst im Rahmen einer späteren Realisierung der erhaltenen Kryptowährung erfasst. Dies gilt jedoch nur, soweit sowohl die hingegebene als auch die erhaltene Kryptowährung die Voraussetzungen des § 27b Abs. 4 EStG 1988 erfüllen.
Die Steuerneutralität des Tausches einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung gilt auch im Betriebsvermögen (siehe dazu EStR 2000 Rz 803b).
Vor dem 1. März 2021 angeschaffte Kryptowährungen (Altvermögen)
Der Token-Merge führt bei vor dem 1. März 2021 angeschaffte Kryptowährungen (Altbestand) grundsätzlich zu einem Tauschvorgang gemäß § 6 Z 14 EStG 1988. Für die erhaltenen Kryptowährungen sind als Anschaffungskosten der gemeine Wert (Tagesendkurs) im Zeitpunkt des Token-Merge anzusetzen. Es handelt sich sodann um Neubestand. Für die ausgebuchten Kryptowährungen ist die Spekulationsfrist gemäß § 31 EStG 1988 bereits abgelaufen. Es kommt daher zu keiner steuerlichen Realisierung der stillen Reserven.
Wir bitten um Mitteilung, ob das BMF die dargelegte Rechtsansicht teilt.
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ist ein solcher Vorgang als Tausch einzustufen. Ein Tausch einer Kryptowährung gegen eine Kryptowährung gemäß § 27b Abs. 3 zweiter Satz EStG 1988 liegt allerdings nur vor, wenn sowohl die eingetauschte als auch die erhaltene Kryptowährung als Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 zu qualifizieren sind; der Abzugsverpflichtete darf aber im Zweifel für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzuges davon auszugehen, dass es sich um eine Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 handelt (§ 5 KryptowährungsVO). Bei Neuvermögen kann daher die Steuerneutralität im Zuge des KESt-Abzuges zur Anwendung kommen. Werden Kryptowährungen getauscht, die vor dem 1. März 2021 angeschafft worden sind, stellt diese eine Veräußerung und eine Anschaffung dar (EStR 2000 Rz 6103k). Die erhaltenen Kryptowährungen sind daher Neuvermögen. Als Anschaffungskosten ist der gemeine Wert der hingegebenen (eingetauschten) Kryptowährung anzusetzen. Ob für die Veräußerung der eingetauschten Token eine Steuerpflicht besteht, hängt von deren steuerlichen Einstufung ab (z.B. als Wirtschafsgüter iSd § 31 EStG 1988 oder als Betriebsvermögen); ein KESt-Abzug hat in diesen Fällen aber jedenfalls nicht zu erfolgen.